Ich habe kurz Diskussionen und Tweets zu Schulen während der Corona-Pandemie in einer Torte der Wahrheit zusammengefasst.

Ich habe kurz Diskussionen und Tweets zu Schulen während der Corona-Pandemie in einer Torte der Wahrheit zusammengefasst.
Lieber Marcus,
am Samstag habe ich folgenden Tweet von Dejan Mihajlović retweetet mit dem Kommentar: „Man stößt ein Projekt an.“ Recht hat er #projektlernen”. Du hast darauf entgegnet, dass Projekte die Bildungsungerechtigkeit verstärken. Magst du das aus deiner Sicht erklären?
(MvA) Gerne. Der Lehrer und Experte für digitale Bildung Dejan Mihajlovic gibt im Gespräch mit der c`t an, dass Lehrerinnen und Lehrer die Bildungsungerechtigkeit verschärfen würden, wenn sie ihren Schülerinnen und Schülern lediglich “Stapel von Aufgaben” mitgeben. Dies würde besonders die Schülerinnen und Schüler benachteiligen, die zu Hause wenig Unterstützung bekommen. Alternativ schlägt er vor, Projekte anzustoßen. Seine Schülerinnen und Schüler sollen z. B. mithilfe des Internets einen englischsprachigen Zeitungsartikel lesen, ihre Fragen und Antworten selbstständig und gemeinsam in einem kollaborativen Texteditor festhalten und diskutieren. Später reflektiert er gemeinsam mit den Lernenden den Prozess und die Ergebnisse in kleineren Gruppen in Hangouts. Er unterstütze sie dabei in allen Phasen, als Gruppe, aber auch individuell, wenn es gewünscht und nötig sei.
Die Formulierung “Stapel von Aufgaben” ist aus meiner Sicht wenig hilfreich, denn die damit suggerierte übermäßige Fülle an Aufgaben ist offensichtlich immer falsch, egal ob es sich um eine Unmenge von Projektaufträgen oder Arbeitsblättern handelt. Es ist also bestenfalls eine triviale Erkenntnis, dass übermäßig viele Aufgaben im regulären wie auch im Fernunterricht der falsche Weg sind.
Im Kern ging es Dejan Mihajlovic wahrscheinlich um die Gegenüberstellung von Unterricht mit Arbeitsblättern und der Arbeit in Projekten. Ob letztere ohne Arbeitsaufträge (eventuell auf ABs) auskommen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Die Bildungsungerechtigkeit lässt sich meiner Meinung nach mit beiden Arbeitsformen nicht auflösen. Ich würde sogar behaupten, dass der von Dejan Mihajlovic skizzierte Ansatz in vielen Fällen die Bildungsungerechtigkeit verstärkt, insbesondere dann, wenn Schülerinnen und Schüler diese Arbeitsformen bisher nicht gewohnt sind. Hinzu kommt, dass einige Schülerinnen und Schüler kein eigenes digitales Endgerät und/oder keine stabile Internetverbindung mit ausreichend Bandbreite zur Verfügung haben. Das Arbeiten in kollaborativen Schreibdokumenten (die zudem meiner Erfahrung nach in den ersten beiden Wochen der Schulschließung wegen Überlastung kaum bis gar nicht erreichbar waren) und Google Hangouts ist damit nicht möglich. Als Sonderpädagoge habe ich besonders die leistungsschwachen Kinder im Blick. Die hohe Selbständigkeit, die Dejan Mihajlovic von seinen Schülerinnen und Schülern erwartet, kann diese Gruppe meist nicht leisten. Wenn dann auch noch fehlende Unterstützung zu Hause und fehlende digitale Endgeräte dazu kommen, ist eine Teilhabe dieser Kinder am Unterrichtsprozess nahezu unmöglich. Das verringert nicht die Bildungsungerechtigkeit, sondern verstärkt sie.
Obwohl ich mich sehr für Projektlernen einsetze, kann ich das in dieser Krisensituation eben nicht allen Kolleginnen und Kollegen empfehlen. Ich würde sogar eher dazu raten, die Form des Unterrichts beizubehalten, die vor der Schulschließung praktiziert wurde.
Aus Deiner Sicht ist Projektlernen jetzt genau der richtige Weg. Wie kommst Du zu dieser Einschätzung?
(TP) Nicht nur in der aktuellen Situationen muss Projektlernen eine Bedeutung haben.
Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einer Kollegin, das mich nachhaltig bewegte. Sie versuchte zwischen SuS und den LuL der Klasse zu vermitteln. Sie wollte verhindern, dass alle über die verschiedensten Kanäle an die SuS herantreten. Es funktionierte nicht, denn verschiedene KuK wendeten sich trotz Absprachen an die Schülerinnen und Schüler, um Aufgaben zu verteilen. Sowohl die Eltern als auch die Schülerinnen und Schüler wurden zugeworfen mit Aufgaben und Material. Statt auf die Bremse zu drücken, wird 1:1 der Unterricht umzusetzen versucht. Jedes Fach ist sich selbst das Wichtigste. Das ist auf mehreren Ebenen zu kurz gedacht. Vor allem ist es ein egoistischer Gedanke, denn er berücksichtigt in keiner Weise die aktuelle Situation. Nicht selten leben Familien in der Stadt auf begrenztem Raum ohne Balkon oder Garten. Eventuell kommen noch Existenzsorgen der Eltern dazu, weil das regelmäßige Einkommen wegbricht. Das ist psychisch belastend und stellt jede Familie auf die Probe. Und dann kommen über die unterschiedlichsten Kanäle Arbeitsaufträge und Materialien!
Ich stimme dir zu, wenn du sagst, dass man den Unterricht jetzt nicht komplett ändern darf. Das überfordert die Schülerinnen und Schüler und auch die Lehrerinnen und Lehrer. Ich bin der Meinung, dass man aktuell prioritär vorgehen muss. Den Fokus auf wenige Fächer legen- von mir aus die Hauptfächer an drei Tagen in der Woche mit wenigen Stunden. An den anderen beiden Tagen bin ich für das Projektlernen!
Die Schülerinnen und Schüler haben Fragen- viele Fragen! Wir sind in einer außergewöhnlichen Situation, die auf mehreren Ebenen belastend ist. Schule kann hier nicht weitermachen wie bisher. Schule muss Raum und Zeit geben, damit die SuS sich den Fragen, die sie haben, stellen können. Dafür ist Projektlernen der beste Ansatz. Wenn du die Schülerinnen und Schüler fragst, was sie über die aktuelle Corona-Situation denken, was sie fühlen, welche Ängste sie haben, wirst du erstaunlich viele Antworten und vor allem weitere Fragen bekommen. Diese sind für die Schüler entscheidender als das Material von Fach x oder y. Warum? Weil es für sie Sinn macht! Projektlernen gibt den Raum, um an den eigenen (komplexeren) Fragen zu arbeiten.
Wenn ich den oben aufgeführten Gedanken weiterführe, könnten sich die KuK, die keine Hauptfächer haben, mit Projektlernen beschäftigen. Sie könnten die Schülerinnen und Schüler dabei begleiten, dass ihr Projekt erfolgreich wird. Sie unterstützen, beraten und helfen, dass die Schülerinnen und Schüler – auch die Schwächeren – mit ihren Fragen und dem Projekt nicht alleine sind. Mit einer intensiven und adressatengerechten Begleitung ließe sich Projektlernen betreiben. Auch via Telefon und mit der persönlichen Materiallieferung, wie du auf Twitter schriebst, um die Bildungsungerechtigkeit nicht zu verstärken.
Damit kann man in der aktuellen Situation beginnen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Projekte immer groß sind. Projekte können sehr klein sein und in diesen können die Schülerinnen und Schülern die Methodologie erlernen. Du hast mit deinem “Verdeckt-fotografieren-Projekt” ein kleines Projekt gestartet. Die Schülerinnen und Schüler planten, führten durch und präsentierten dir das Produkt. Das sind (einige) Schritte einer entsprechenden Methodologie. Daran kannst du ansetzen und Projektlernen voranbringen.
Findest du nicht auch, dass Projektlernen und damit das Arbeiten an eigenen Fragen aktuell von Bedeutung ist? Auch vor dem Hintergrund, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit Fragen und Themen beschäftigen, die Ihnen zu Hause nicht beantwortet werden bzw. werden können?
(MvA) Bevor ich auf deine Frage eingehe, will ich etwas zu dem aktuell häufig bemühten Bild einer Lehrkraft eingehen, die Schülerinnen und Schüler geradezu mit Arbeitsblättern, Arbeitsheften oder Schulbüchern erschlägt. Dieses Bild ist so schön einleuchtend, weil sich die genannten Medien gut zum Schlagen, Überschütten und Begraben eignen. Unweigerlich kommt die Erinnerung an ein Zitat von Gerhard Schröder hoch: “Lehrer sind faule Säcke”. In den sozialen Medien erlebt dieses Lehrerbild gerade wieder eine Renaissance. Arbeitsblätter liegen doch eh digital vor, Scans von Schulbüchern sind schnell gemacht und mit einem Klick bei den Lernenden. Lehrkräfte haben dann eigentlich um 8:30 Uhr frei, sorgen für schlechte Streamingergebnisse auf Netflix und vertreiben die Kinder sogar aus dem sonst so geliebten Internet .
Nur: Schülerinnen und Schüler können ebenso von Projektaufträgen “erschlagen” und überfordert werden. Ich erlebe, dass Kolleginnen und Kollegen Wochenaufgaben mit Projektcharakter aufgeben, es sollen Plakate erstellt, recherchiert, Videos oder Podcasts kreiert werden. Alles möglichst kreativ und natürlich selbständig. Und genau das verstärkt die Bildungsungerechtigkeit, weil solche Aufgaben nicht nur die Nutzung und Verfügbarkeit diverser Medien voraussetzen, sondern auch intensive Betreuung benötigen. Ich kenne allerdings Kinder, die weder über diese Ausstattung, noch über diese Betreuung verfügen. Sie müssen beispielsweise ihre Geschwister beaufsichtigen und den Haushalt schmeißen, weil die Eltern arbeiten müssen. Alleinerziehende Elternteile haben es da besonders schwer und kämpfen um Ihre wirtschaftliche Existenz.
Du schlägst vor, dass jetzt schwerpunktmäßig die Hauptfächer unterrichtet werden sollten. Das sehe und praktiziere ich in meiner Klasse auch so. Wenn du vorschlägst, dass Lehrkräfte, die keine Hauptfächer unterrichten, sich jetzt dem Projektlernen widmen und Schülerinnen und Schüler bei eigenen Projekten unterstützen, dann sehe ich dort folgende Probleme:
Selbst wenn diese Kolleginnen und Kollegen sich aktuell in das Projektlernen einarbeiten könnten, bleiben die von mir geschilderten Probleme auf Seiten der Lernenden bestehen.
Eine große Zahl an Lehrkräften muss eigene Kinder betreuen (Kindergartenalter) oder beschulen. Auch Dejan Mihajlovic gibt im Gespräch an, dass er für Fragen und Unterstützung immer für seine SuS da ist. Ich bezweifle, dass dies realistisch ist (siehe dazu sein eigener Tweet). Ich habe selbst ein Kind im Kindergartenalter und ein Schulkind (1. Klasse) und könnte das nicht leisten. Meine Tochter hat z. B. seit zwei Wochen die Aufgabe, ein Referat zu einem Tier ihrer Wahl vorzubereiten. Geschafft hat sie noch nichts, weil sie dafür nämlich eine 1:1-Betreuung braucht. Weder meine Frau noch ich können das gerade leisten. Gleiches höre ich aus meiner Nachbarschaft, ich denke, damit sind wir nicht allein.
Die Komplexität des Projektlernens wird mir auch zu sehr vereinfacht. Das kann man nicht eben mal schnell lernen. Projektlernen muss Eingang in das Studium und die Lehrerausbildung finden. Wer schon einmal projektorientiert gearbeitet hat, weiß, wie komplex das ist und dass es da viele Sackgassen gibt.
Du schreibst, dass Kinder in dieser Zeit viele Fragen haben und dass diese Raum finden müssten. Absolute Zustimmung! Verbunden mit (komplexen) Projekten? Nicht zwingend (aus den oben genannten Gründen). Ob sie ihre Fragen auf einem AB, in einer Audiodatei, einem kleinen Projekt oder auf welchem Weg auch immer loswerden, ist für mich zweitrangig. Entscheidend ist, dass sie dies selbständig erledigen können. Nur dann können wir für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen. Bezogen auf deinen Ausgangstweet “Man stößt ein Projekt an.” würde ich entgegnen: Man ermöglicht selbstständiges Lernen!
Das Beispiel deiner Kollegin zeigt doch vor allem, dass die Aufgabensteuerung nicht gut gelöst ist. Davon unabhängig ist doch die Art der Arbeitsaufträge. An meiner Schule haben wir vereinbart, dass die Klassenteams, zumindest in der Unterstufe, die Aufgabensteuerung übernehmen. Fachlehrerinnen und Fachlehrer geben mir Material und unser Klassenteam steuert, was davon an die SuS kommt. Und zwar täglich, um niemanden mit der Organisation von Wochenaufgaben zu überfordern. Was glaubst du, was ich da alles zurückhalte…
Um es deutlich zu sagen: Bestimmt gibt es Lehrerinnen und Lehrer, die Kinder mit Aufgaben überhäufen (egal welche Aufgabenart). Das ist überfordernd und muss sich ändern. Du weißt auch, dass ich projektorientiertes Arbeiten liebe und mich hier auf keinen Fall dagegen aussprechen möchte.
Ich glaube die aktuelle Zeit kann den Nährboden dafür bereiten, dass zukünftig projektorientierter in Schulen gearbeitet wird. Schüler müssen zwangsläufig selbstständiger arbeiten und Lehrerinnen und Lehrer überlegen, mit welchen Methoden und Arbeitsaufträgen das geschafft werden kann. Es wird viel probiert, viel auch wieder verworfen, einige Dinge bewähren sich – super!
Vielleicht möchtest du mir aber etwas entgegnen, bevor ich schreibe, wir aktuell mein Unterricht aussieht.
(TP) Ich stimme dir bei vielen deiner Aussagen zu. Vor allem, dass man SuS mit Projektlernen erschlagen kann. Es kommt hier auf das Maß und vor allem die Methodik an. Wenn ich sage, dass sich Lehrerinnen und Lehrer in der aktuellen Zeit mit Projektlernen beschäftigen sollen, dann impliziert das natürlich nicht, dass sie das große Projekt aufsetzen. Das ist verkürzt dargestellt. Lehrerinnen und Lehrer müssen kleinschrittig vorgehen. Projektlernen muss durch projektorientierte Elemente vorbereitet werden. Das alles an dieser Stelle auszuführen, wäre zu viel des Guten. Ich mache es an einem Beispiel fest, wie ich vorginge, um meinen Fachunterricht aktuell mit projektorientierten Methoden zu verbinden. Du kennst dieses Video hier, das zwischenzeitlich in allen Messenger-Gruppen verschickt wurde. Vorweggenommen: es hat zunächst einen hohen Realitätsbezug und die SuS können eine Beziehung zum Video herstellen. In der Sache ist es falsch! Als Einstieg, um den Aufbau von Viren und die Funktion der Seife und des Händewaschens zu behandeln, finde ich es unter den aktuellen Voraussetzungen sinnvoll. Vor allem, wenn man abschließend beurteilen und in den Kommentaren in YouTube darlegen kann, warum das Video inhaltlich falsch ist. Das kann problemorientiert/ problemlösend am Lerngegenstand behandelt werden und begleitet in meiner Rolle als Coach und Moderator. Es braucht einen fachlichen Input, ggf. didaktisiertes Material, das die Schüler verwenden. Das kann analog oder digital vorliegen. Am Lerngegenstand kann selbstständig und/ oder kollaborativ gearbeitet werden. Experimente, die mit eigenen Haushaltsmitteln durchzuführen sind, gehören dazu. Und das alles aus meiner Sicht fächerübergreifend im Bereich MINT, also im Zusammenschluss mit mehreren KuK. Die Nutzung digitaler Medien ist an dieser Stelle von Vorteil. Vielleicht machen die Schülerinnen und Schüler aber auch was ganz Eigenes aus dem Video.
Eine Kollegin erzählte mir kürzlich, dass sie mit ihrer Klasse Short Stories (Englischunterricht) behandelt. Aufgrund der Schulschließung schreiben die SuS die Geschichten über die aktuelle Corona-Zeit. (Nebenbei: Ihre Idee dazu war, dass sie aus der Zukunft schreiben – als Rückblick auf die heutige Zeit). Dafür ist, ohne das jetzt auszuführen, ein projektartiges Vorgehen notwendig in Bezug auf die Planung des Schreibens/ Inhalt/ Schrittigkeit etc. Die Schülerinnen und Schüler schreiben ihre Geschichten, wann sie möchten (oder wenn der PC endlich frei ist/ auch analog). Das gibt Freiraum in der Familie. Ich hatte ihr wattpad vorgestellt. Ich bin gespannt, ob wir die Geschichten dort bald nachlesen können.
Projektlernen in der Form, wie ich es hier beschrieben habe, ist schwieriger umzusetzen. Das muss gelernt sein. Einzelne Elemente kann ich empfehlen. Zum Beispiel der offene Anfang, den ich gewählt habe, um den SuS die Möglichkeit zu geben, eine Frage zu finden, die für sie Sinn macht. Aktuell beschäftigt natürlich das Thema Corona. Es ist allgegenwärtig. Fragt man die Schülerinnen und Schüler, was sie darüber denken, fühlen und was sie interessiert, dann kommen viele Ergebnisse. Mit den Fragen geht das Projektlernen los. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Das habe ich selbst schon erfahren.
Im beschriebenen Projekt und in vielen weiteren, die ich mit meinen Klassen durchgeführt habe, habe ich immer versucht, externe Experten hinzuziehen. Diese Menschen sind einfach zu erreichen- auch mit analogem Telefon. Mittlerweile gibt es auch Institutionen, die bei der Vermittlung helfen.
Mir ist es wichtig zu erwähnen, dass für mich der Maximalstandard an technischer Ausstattung zur Umsetzung des Genannten das Smartphone ist. Ich gehe nicht davon aus, dass alle Schülerinnen und Schüler zu Hause einen PC oder ein Tablet haben. Wenn es um Projektergebnisse geht, lässt sich mit dem Smartphone vieles erstellen. Kollaboratives Arbeiten und Austauschen ist über einfache Tools möglich. Ich weiß aber, dass es z. B. bei deinen Schülerinnen und Schüler nicht immer der Standard ist.
Bei allem, was wir miteinander ausgetauscht haben, möchte ich für mich Folgendes festhalten:
Wir müssen genau schauen, welche Bedingungen wir bei den SuS vorfinden. Teilweise leben sie zusammen mit mehreren Brüdern und Schwestern auf engem Raum, minimaler technischer Ausstattung und evtl. mit schlechtem Handyempfang. Dann wird auch deutlich, dass es nicht den einen Weg geben kann. Du weißt, aus Sicht des Sonderpädagogen, wie du heute und morgen unter den Bedingungen mit deinen Schülerinnen und Schüler arbeiten kannst und musst. Ich bin mir sicher, dass du mit deiner Art und deinen Methoden viel bewegen kannst. Meine Sicht ist an dieser Stelle die eines Gymnasiallehrers. Und wir wissen beide, dass sich unsere Schulen stark unterscheiden.
Festhalten möchte ich auch, dass die eigene Situation der Lehrerin oder des Lehrers bewertet werden muss. Du hast schon geschildert, wie schwer die Situation ist und auch ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die sich mehrteilen müssen, um den Tag zu durchstehen und dann auch nur die Hälfte zu schaffen. Bei mir zu Hause ist die Situation ähnlich mit zwei Kindern. Den Text hier schreibe ich abends ab 21:00 Uhr. Deswegen bin ich u. a. sehr für eine Reduktion der Stunden und für eine Kooperation unter den KuK, sodass Synergieeffekte erzielt werden.
Welche Ideen hast du für deinen Unterricht?
(MvA) Unsere Vorstellung von “gutem Unterricht” deckt sich tatsächlich weitestgehend. Die Bedingungen, die unseren Arbeitsalltag ausmachen, unterscheiden sich dagegen gravierend. Damit einhergehend auch die Bewertung, welche Dinge einfach umzusetzen sind. Für meine Schülerinne und Schüler ist es meist eine schier unüberwindbare Hürde eine Expertin bzw. einen Expertin (per Telefon) zu kontaktieren. Bei einem Telefonat kommt noch dazu, dass die Kinder zuhören/verstehen müssen und gleichzeitig Notizen anfertigen, damit die Gesprächsinhalte nicht verloren gehen. Für meine Schülerinnen und Schüler ist das eine enorme Anforderung, die viele nicht leisten können.
Wenn Schülerinnen und Schülerinnen bisher im Unterricht nicht an eigenen Fragen gearbeitet haben, können viele keine Fragen mehr stellen. Das ist natürlich traurig, aber schon hier kann projektorientiertes Arbeiten scheitern.
Der Einstieg über ein in der Sache falschen Video ist auch nicht unproblematisch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Falsches manifestiert, selbst wenn anschließend intensiv zum Thema gearbeitet wurde. Natürlich gilt das meist nicht für die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, ich habe aber die im Blick, denen das Lernen nicht so leicht fällt.
Nun aber dazu, wie ich unter den aktuellen Bedingungen Unterricht für meine 5. Klasse gestalte:
Bereits am letzten Wochenende der Ferien haben mein Teampartner und ich überlegt, wie wir unsere Klasse unterrichten könnten, falls eine Schulschließung nötig werden sollte. Wir haben dazu eine digitale Pinnwand (padlet.com) eingerichtet, über die Materialien verteilt wird und die schulische Kommunikation stattfindet. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, weil die Kinder schon seit knapp einem Jahr in fast jeder meiner Unterrichtseinheiten in Deutsch mit einem Padlet arbeiten.
Um unsere Schülerinnen und Schüler bei der Strukturierung ihres Alltages im Fernunterricht zu unterstützen, geben wir keine Wochenaufgaben, sondern stellen in der ersten Spalte unserer digitalen Pinnwand die tagesaktuellen Aufgaben ein. In den Jahrgängen 5 und 6 koordinieren die Klassenteams die Aufgabensteuerung und damit können wir dafür sorgen, dass die Kinder nicht mit Aufgaben “überschüttet” werden. Seit dem ersten Tag der Schulschließung erstelle ich ein tägliches Begrüßungsvideo für unsere 5. Klasse. Im täglichen Begrüßungsvideo bespreche ich die Aufgaben des Tages, gebe Tipps und Hilfestellungen. Wenn die Aufgabenbearbeitung Tools erfordert, die den Schülerinnen und Schülern unbekannt sind, erkläre ich diese. Außerdem würdige ich Arbeitsergebnisse, die am Vortag von den Lernenden eingereicht wurden. Schließlich erzähle ich auch immer etwas aus meinem Alltag und frage die Schülerinnen und Schüler, was sie erlebt haben. Das können sie direkt auf unsere digitale Pinnwand, in unseren Klassenchat auf IServ oder per Mail schicken.
Bei den Aufgaben achten wir darauf, dass es einen guten Mix unterschiedlicher Aufgabentypen gibt. Dabei bedenken wir, dass viele Kinder keine Möglichkeit haben, Arbeitsblätter auszudrucken. Wenn wir Arbeitsblätter einsetzen, können diese auch abgeschrieben werden, weil sie nur wenig Text beinhalten. Wenn es doch mehr Text auf einem Arbeitsblatt gibt, schicken wir einzelnen Schülerinnen und Schülern Materialpakete zu. Täglich gibt es auch Arbeitsaufträge, bei denen die Kinder kreativ werden können. Ich würde diese Aufgaben nicht einmal als “kleine Projekte” bezeichnen. Das kann eine Arbeitsplatz-Challenge, ein Bild während des Lesens, ein Kurzbericht über eine Entspannungsübung (Sozialpädagoginnen haben an unserer Schule ein Padlet mit Entspannungsübungen erstellt) oder die Zubereitung eines Smoothies sein.
Wir kontrollieren nicht alle Arbeitsergebnisse, sondern lassen immer zu ausgewählten Aufgaben Ergebnisse in gesonderten Spalten unseren Klassen-Padlets sammeln. Die Schülerinnen und Schüler kommentieren und einzelne Ergebnisse werden von ihnen bewertet (z. B. mit den Bewertungsfunktionen in padlet).
Wir setzen auch kollaborative Schreibdokumente wie Etherpads oder flinga.fi ein, um z. B. Kriterien für die Bewertung von Arbeitsergebnissen zu sammeln. Wir versuchen so auch im Fernunterricht unsere Projektwoche zum Thema “Gemeinsam Klasse sein” zu gestalten. Die Kinder arbeiten dazu in Kleingruppen in unterschiedlichen Etherpads und posten Arbeitsergebnisse auf unserem Klassen-Padlet. Das ist methodisch anspruchsvoll, aber die Schülerinnen und Schüler kennen die Tools und haben schon im Präsenzunterricht damit gearbeitet.
Trotzdem gibt es gerade bei diesen Aufgabenstellungen Schülerinnen und Schüler, die sich nicht beteiligen können, weil sie kein eigenes digitales Endgerät zur Verfügung haben. Das ist gerade schwer zu ertragen, weil wir diese Kinder damit faktisch ausschließen. Ich habe schon vor der Schulschließung für einzelne Eltern Anträge zur Finanzierung eines digitalen Endgerätes geschrieben, die alle vom Sozialamt abgelehnt wurden. Vielleicht findet dort zeitnah ein Umdenken statt.
(TP) Lieber Marcus, wir liegen auf der eine Seite sehr nah zusammen, wenn es um Unterricht unter optimalen Bedingungen geht. Wir liegen weiter auseinander, wenn wir die aktuelle Situation betrachten und die Möglichkeiten, die wir bei den Schülerinnen und Schüler und den Schulen vorfinden. Die eigene familiäre Situation ist ebenfalls entscheidend an dieser Stelle.
Wir brauchen m. E. weniger Verallgemeinerungen und #connymachtferien- Beispiele. Wir benötigen realistische Unterrichtsbeispiele, Erfahrungsberichte und Umsetzungsideen, wie Lernen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedingungen der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer ablaufen kann. Ich lese häufig, wie toll die Möglichkeit der Videokonferenz ist. Alle lieben es, sind pünktlich, mit großem Engagement dabei und erzählen sich auch noch Witze während der Konferenz. Es ist ein sehr auf die Technik fokussierter Blick und ich bezweifle, dass es der Realität entspricht. Entscheidender ist aber doch, was vor, während und nach der Videokonferenz bei allen Beteiligten passiert(e). Das kommt mir oft zu kurz.
(MvA) Lieber Thorsten, da stimme ich Dir vollumfänglich zu. Pauschalurteile, Zynismus und das Negieren von Unterschieden hinsichtlich unterschiedlicher Schulformen helfen sonst und insbesondere jetzt niemandem. Was Kolleginnen und Kollegen in ihren Klassen erreichen, sollte niemand bewerten, der von außen auf die nackten Ergebnisse schaut. Ich lese gerne Beispiele aus Gymnasialunterricht (meist Oberstufe) und nutze sie für Inspiration und Weiterentwicklung. Diesen Maßstab kann ich aber nicht auf meinen Unterricht übertragen und muss eigene Lösungen finden. Die leuchten dann meist nicht so hell und sind wenig Hochglanzprojekt.
Ich danke Dir für das Gespräch zwischen tobenden Kindern und beruflichen Verpflichtungen im #homeoffice.
(TP) Ich danke dir auch!
Im Sommer endete die Weltmeisterschaft in Russland für die Nationalmannschaft trotz oder gerade wegen des gewählten Slogans „BESTNEVERREST“ früh. Die Franzosen hoben am Ende den Pokal in den Abendhimmel und sind der Grund für diesen Blogeintrag und das zurückliegende Projekt „Vom Computerspiel zum Sportspiel am Beispiel von Fortnite“.
Griezmann hat im Finale gegen Kroatien einen Elfmeter versenkt und folgenden Jubel nachgeschoben:
Während ich als Enddreißiger, wie auch viele andere Erwachsene, diesen Jubel nicht einordnen konnte, haben tausende Jugendliche auf der Welt diesen gefeiert. Ich begann zu recherchieren und musste feststellen, dass der Jubel einem „kostenlosen“ Computerspiel entstammte, das (festhalten!) ca. 1 Milliarde Euro Umsatz mit In-App Käufen machte und ca. 125 Millionen registrierte Spieler hat. Ein Massenphänomen der Spielebranche, das komplett an meiner Welt vorbeiging. Ich habe mir daraufhin Fortnite aufs iPad geladen und gespielt, um zu sehen, welches Spiel derartige Zahlen für sich verbucht.
Zurück in der Schule habe ich meine Klasse zu Fortnite befragt und stellte Erwartbares fest:
Einer der wenigen, der mit diesem Spiel bislang nichts anfangen konnte, war ich! Weit weg von der Lebenswelt meiner Schülerinnen und Schüler.
Folgende interessante Antworten ergaben sich ebenfalls aus der Befragung, die ich durchgeführt habe:
Zudem habe ich Folgendes gefragt:
Die Zahlen fand ich vor dem Hintergrund meiner Unkenntnis beeindruckend. Da ich mich aus eigenem Interesse für die Lebenswelt meiner Schülerinnen und Schüler interessiere und an dieser anknüpfen möchte, habe ich mich in Absprache mit der Klasse und den Eltern dazu entschlossen, ein Projekt zu starten, das wir „Vom Computerspiel zum Sportspiel“ nannten. Das Interesse meiner Klasse war selbstverständlich groß.
Das Projekt bestand aus zwei Teilen, die ich den Schülerinnen und Schülern vorstellte.
Ziel war es, das Spiel kennen und verstehen zu lernen. Zum Beispiel zeigt die Tatsache, dass ein Spiel kostenlos ist und einen derartigen Umsatz generiert, dass die Maschinerie im Hintergrund sehr gut läuft. Die Intention war, dass am Ende meine Schülerinnen und Schüler wissen, wie Spielemacher arbeiten und wie Spiele konzipiert sind, dass sie einen am Spielen halten. Es ging um das Spieleverhalten der Schülerinnen und Schüler, exzessives Spielen, Regulationsmöglichkeiten und allgemein um ein Computerspiel als Reflexionsmöglichkeit.
Hierbei ging es konkret um die Idee, ein Onlinespiel auf den Sportplatz zu bringen.
(Und für mich allgemein um die Frage, ob und wie man Onlinespiele für eine zeitgemäße Gestaltung des Sportunterrichts nutzen kann)
(Die folgenden Ausführungen trennen nicht nach Teil 1 & 2)
Fortnite ist ein „Shooter“. Daher bestand meine erste Amtshandlung darin, die Eltern zu informieren und sie über das Projekt in Kenntnis zu setzen. An dieser Stelle war es mein Anliegen, für maximale Transparenz zu sorgen und die Gründe für dieses Vorhaben zu erläutern. Die Reaktionen der Eltern waren positiv. Kritische Anmerkungen gab es keine bzw. ein Elternteil äußerte leichte Bedenken. Die Eltern zeigten sich dankbar für das Aufgreifen des Themas. Das ist sicherlich auch der Problematik geschuldet, dass das Spiel sehr präsent bei Schülerinnen und Schülern ist und zu Hause für Diskussionen sorgt.
Nicht allen Schülerinnen und Schülern war das Spiel bekannt, sodass wir zunächst begannen, Fortnite zu spielen. Hierfür brachten die Schülerinnen und Schüler das nötige Equipment mit, sodass alle das Spiel zumindest angespielt hatten. Ziel dieses Vorhabens war, dass alle bezüglich des Spiels (Inhalt/ Ablauf/ Kernelemente) auf einem minimalen gemeinsamen Stand sind. Während der kurzen Phase des Spielens begannen die Schülerinnen und Schüler logischerweise viele Fragen an ihre Mitschüler und mich zu stellen, die Anknüpfungspunkte für eine kurze projektartige Auseinandersetzung darstellten. Die aufkommenden Themen & Fragen waren sehr unterschiedlich:
Einige zusammenfassende Ergebnisse habe ich in diesem doc zusammengestellt. Für das Spielen, die Recherche und das Schreiben der Texte (2-3er Gruppen) habe ich drei Doppelstunden angesetzt. Je nach Länge der Texte ist zu erkennen, dass einige sich damit zu Hause auseinandersetzten, was erfreulich ist.
Parallel dazu haben wir gemeinsam begonnen, das Spiel auf den Sportplatz zu bringen. Zunächst haben wir uns die Grundstruktur von Fortnite angeschaut und wichtige Kernelemente herausgearbeitet. Dazu gehörten
Die Schülerinnen und Schüler haben anschließend begonnen, die Kernelemente zu übertragen. Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, wurde alles, was man in der Halle oder auf dem Sportplatz findet (unterschiedliche Bälle, Kästen, Tore, Leibchen usw.) gesammelt und auf den Platz gebracht. Sukzessive wurde das Spiel entwickelt (Bälle sind Waffen/ unterschiedliche Bälle stellen unterschiedliche Waffen mit unterschiedlicher Wirkung dar, Tore sind Behausungen, in denen die Schülerinnen und Schüler geschützt sind). Zwischen den kurzen Spielphasen wurden Reflexionsphasen eingeschoben, in denen das Spiel und die gewählten Maßnahmen reflektiert und mit dem eigentlichen „Fortnite“ abgeglichen wurden. Auf diesem methodischen Weg haben wir sukzessive Veränderungen vorgenommen, Regeln entwickelt und das Spiel gestaltet. Für diesen Anlass habe ich die Schülerinnen und Schüler in die Regeltypen Digels eingewiesen, die man hier einsehen kann. Diese Regeltypen verwende ich, um ein Spiel zu entwickeln, da sie die „Stellschrauben“ gut umschreiben. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten arbeitsteilig an einem Regeltypus.
Ein Problem, dem sich die Schülerinnen und Schüler stellen mussten, war, dass wir unterschiedliche Bälle hatten, die eine unterschiedliche Wirkung analog zu Fortnite hatten. Es musste klar sein, wie viel „Lebensenergie“ jemand verliert, der von einem kleinen, gelben oder dem großen, roten Ball getroffen wird. Hier entwickelten die Schülerinnen und Schüler kreative Lösungen, indem sie an den Inventarregeln arbeiteten. Jeder Schüler durfte am Ende zwei Parteibänder tragen. Der eine Ball führte zu Verlust eines Bändchens, der andere Ball zum Verlust beider Bändchen. Mit diesen Regeln stellten die Schülerinnen und Schüler die Wirkung verschiedener Bälle (Waffen) nach. Damit war gesichert, was aus Sicht der Bewegungszeit nicht unerheblich ist, dass alle Schülerinnen und Schüler lange mitwirken konnten.
Es gab weitere (Inventar-)Regeln, wie z.B. die Verwendung von Hütchen als Schutzschild, die Veränderung der Größe (Raumregel) des Spielfelds (angepasst an die Spieleranzahl auf dem Feld) oder der Einbezug des Sturms als zentrales Element in Fortnite. Dies löste die Klasse kreativ, indem die Schülerinnen und Schüler, die getroffen wurden und aus dem Spiel hätten ausscheiden müssen, mit einer Menschenkette den Sturm simulierten und über das Feld zogen. Je mehr Schülerinnen und Schüler ausschieden, desto größer wurde die Kette und desto kleiner wurde das Spielfeld.
Das Bauen von Häusern und Schutzwällen wurde z.B. durch kleine Tore simuliert. In diesen waren die Schülerinnen und Schüler sicher, solange kein spezieller Ball gefunden wurde, der durch das Tornetz passte. Hierzu versteckten sie Tischtennisbälle, die erst gefunden und zu den Häusern transportiert werden mussten.
Weiterhin wurden verschiedene Modi (alle gegen alle/ mehrere Teams/ zwei Teams) ausprobiert. Es gab im Laufe der drei Doppelstunden viele Regeln, die entwickelt wurden. Eine Ausführung an dieser Stelle würde jedoch den Rahmen sprengen.
Den Abschluss des Projekts bildete eine Reflexion im Klassenverband. Inhaltlich habe ich das aufgeteilt in:
Das bejahten alle. Die Schülerinnen und Schülern übertrugen kreativ (4k) die Elemente und entwickelten das Spiel Schritt für Schritt weiter. Die Klasse war engagiert und hat die Phasen der Reflexion und Spielgestaltung sehr selbstständig organisiert. Die Motivation, die Bewegungszeit und der Spaßfaktor waren hoch. Sie stellten fest, dass das Spiel, wenn auch um viele Elemente erweitert, bekannten Spielen ähnelte, wie z.B. Zombieball/ Dreiball (das merkte auch @Medienberater auf Twitter an). Die Sportlehrer unter den Lesern werden wissen, wovon ich rede.
Die Schülerinnen und Schüler sagten z.B., dass sie verwundert seien, wie ein Spiel in dem Maße Umsatz generiere und Jugendliche und deren Eltern dazu bringe, Geld für neue „Skins“ auszugeben. Die Tatsache, dass „Skins“ zu einem enormen Gruppendruck führe, verwunderte. Sie konnten nachvollziehen, dass dies Anlass sein kann, Geld zu investieren (dazu gehört auch der „Battle Pass„).
Sie erzählten, dass sie selbst bemerkten, wie während des Spielens die Motivation stieg, besser und besser zu werden und dabeizubleiben. Die Mechanismen, die dahinter steckten, beeindruckten sie, da sie es bislang nicht reflektiert betrachtet haben. Wir sprachen über Gefahren, die Eigenreflexion und die Rolle der Eltern in diesem Zusammenhang. Auch über die Aufgabe der Schule (z.B. dieses Projekt) und welche Möglichkeiten es gibt, gegenzusteuern, wenn man bemerkt, dass man zu viel Zeit mit einem Spiel verbringt.
Andere wiederum waren sehr emotionslos in Bezug auf das Spiel. Sie haben es kennengelernt, verstehen das Spiel und die Mechanismen, mehr aber auch nicht.
Die Schülerinnen und Schüler berichteten von ihren Recherchen zu den selbstgewählten Schwerpunkten. Auch der Fortnite-Jubel wurde thematisiert hinsichtlich der Wirkung auf andere Personen („Take your loos“). Sie sagten, dass ein Ausscheiden aus dem Spiel an einem nagt. Wenn jemand (virtuell) vor einem steht und einen verhöhnt, ist die Motivation, wieder einzusteigen hoch- ein schönes Beispiel für den Mechanismus des Spiels.
Ich muss sagen, dass ich große Erwartungen in die Phase der Reflexion hatte. Es gab interessante und ehrliche Äußerungen. Am Ende bin ich ein wenig unglücklich aus der Gesprächsrunde rausgegangen, da ich mir an der einen oder anderen Stelle eine tiefere Auseinandersetzung und mehr Diskussion gewünscht hätte. Viele Schülerinnen und Schüler waren zurückhaltend im Schildern der eigenen Erfahrungen. Methodisch würde ich das beim nächsten Mal anders machen- was an dieser Stelle nicht ausgeführt werden soll.
Ein Onlinespiel – hier im Speziellen ein Shooter – im Sportunterricht aufzugreifen war für mich mit einigen Bedenken verbunden. Wie sehr tauchen die Schülerinnen und Schüler in das Spiel ein? Bringe ich einige dazu, das Spiel nach dem Projekt zu spielen? Was würden dann die Eltern sagen? Wie sehr beeinflusst das mediale Spiel den Unterricht? Im Speziellen ging es mir um das Verschwimmen beider Welten, z.B. die Adaption der Sprache in den Sportunterricht (Waffe statt Ball/gekillt, etc.). Bleibt der Kerngedanke bestehen, dass die Spielidee eines Onlinespiels mit dem nötigen Abstand übertragen wird oder mutiert mein Sportunterricht zu einem „Shooter“? Keines meiner obigen Bedenken bewahrheitete sich am Ende. Weder habe ich Schülerinnen und Schüler zu einem exzessiven Spielen verleitet, noch war mein Sportunterricht geprägt von martialischen Äußerungen, wenngleich sie Begrifflichkeiten aus dem Spiel verwendeten. Die Schülerinnen und Schüler haben mit einer deutlichen Trennung beider Welten die Kernelemente übertragen und das Spiel konstruiert.
Am Ende war es ein gutes Projekt, das den Schülerinnen und Schülern und mir viel Spaß und zahlreiche Erkenntnisse einbrachte. Die Idee, ein Onlinespiel (mit Lebensweltbezug!) als Reflexionsgegenstand und zur Konstruktion eines zeitgemäßen Sportunterrichts zu nutzen, werde ich wieder mal aufgreifen. Die abschließende und zusammenfassende Reflexionsphase mit den Schülerinnen und Schülern lief ganz gut, hätte aber anders gestaltet werden können.
P.S.:
„Diejenigen, die Arbeitsblätter und Lösungen ins Internet stellen, sind Verbrecher!“
Eine Aussage, die nicht von mir stammt, sondern auf einer Fortbildungsveranstaltung gefallen ist – so ein Kollege, mit dem ich über das Thema sprach. Auch wenn mir der Kontext dieser Aussage nicht bekannt ist, so zeigt sie doch klar, dass das Internet von dieser Person in der Hinsicht problematisch gesehen wird: Das Wissensmonopol verschwindet, denn die Antworten stehen im Netz und sind nicht mehr alleine im Kopf des Lehrers. Zu allem Übel hat ein Schüler dann noch die Antwort im Netz „gescreenshotet“ und über einen Messenger in den Klassenchat gestellt. Die seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführte Stunde endet nach wenigen Minuten oder die Hausaufgabe ist schnell erledigt.
Ich arbeite auch mit Arbeitsblättern – nach wie vor! Gebe ich heute ein Arbeitsblatt aus, so muss ich zwangsläufig damit rechnen, dass irgendjemand die Fragen schon gestellt und jemand anderes die Antworten schon in einem der üblichen Schüler- oder Abiturforen gegeben hat. Verbrecher, wenn ich dem obigen Satz folge.
Es dürfte für die meisten Leser nichts Neues sein (und es ist auch zu begrüßen), dass die Schüler im Netz Fragen stellen und nach Antworten suchen. Meistens bekommen sie diese, wenn auch in unterschiedlicher Qualität und Quantität. Genau hier liegt das Potential und ich möchte nachfolgend einen möglichen Weg zum Umgang verdeutlichen (s.u.).
Bevor ich aber darauf eingehe, will ich kurz schildern, wie Schüler über dieses „Problem“ denken. Ich habe ihnen ein Arbeitsblatt ausgehändigt und darauf hingewiesen, dass die Lösungen im Netz auf zahlreichen Seiten zu finden sind. Überrascht waren sie nicht. Gemeinsam haben wir das Thema besprochen und ich habe sie gebeten, aus ihrer Sicht einige positive und negative Aspekte aufzuschreiben.Man kann sehen, dass Schüler die im Netz zu findenden Antworten ganz unterschiedlich nutzen. Sie kontrollieren ihre Lösungen mit denen im Netz, nutzen sie als Orientierung oder erschließen sich (hiermit ist das Strukturieren des Inhalts gemeint) das Thema. Einige Schülerantworten waren aber auch geprägt von Pragmatismus, wenn sie sagen, dass dort die Antwort steht und man Zeit bei der Bearbeitung spart (im Sinne von „Abschreiben, fertig!“). Diesen, aus Schülersicht, positiven Aspekten standen auch negative und kritische Aspekte gegenüber. Den Schülern ist sehr wohl bewusst, dass es „Abschreiben ohne Sinn und Verstand“ ist und man es sich „zu leicht macht“. „Mit Lernen hat das Abschreiben wenig zu tun“ und ein kritischer Umgang mit der Lösung fehlt gänzlich. Eine Aussage ist aber jetzt besonders interessant: „Die Qualität der Antwort ist nicht gegeben.“ (Einige) Schüler reflektieren sehr wohl, dass die im Netz zu findenden Antworten nicht immer richtig sind, sogar fehlerhaft und unvollständig.
Auf die Frage, was denn Lehrer nun tun können, wenn alle Antworten im Netz zu finden sind, antworteten sie:
Wie kann eine mögliche konzeptionelle Gestaltung des Unterrichts aussehen?
Der Fokus darf nicht auf der Bearbeitung des analogen Arbeitsblattes liegen, sondern in der Vervollständigung, Korrektur, Erweiterung und dem kritischen Umgang mit im Netz vorzufindenden Lösungen.
Meine Schüler begannen, das Arbeitsblatt und die Fragen zu recherchieren und fanden relativ schnell Antworten. Ihnen wurde aber auch bewusst, dass die Antwort alleine keine Lösung darstellt, da ihnen die Grundlagen fehlten, um eine kritische Bewertung vornehmen zu können. Sie kamen zwangsläufig zurück zum Arbeitsblatt, erarbeiteten die fachlichen Aspekte, recherchierten unbekannte Begriffe, strukturierten und organisierten ihr Lernen. Sie merkten richtigerweise an, dass sie erst mal das Arbeitsblatt mit den dortigen Informationen durchgehen müssen, bevor sie überhaupt eine Aussage zu den Lösungen im Netz treffen können. Erst danach widmeten sie sich wieder den Lösungen im Netz und schrieben ihre Anmerkungen bzw. korrigierten und vervollständigten die Posts im Netz, wie z.B. hier oder hier.
Statt das Internet zu verbieten oder Arbeitsblätter umzuschreiben, kann es ein möglicher Ansatz sein, die Antworten aus dem Netz miteinzubeziehen und sie in die didaktische Konzeption der Stunde zu integrieren. Schüler lernen so den kritischen Umgang mit Lösungen aber auch, dass eine Lösung alleine für sich im Netz erst mal nutzlos ist. Des Weiteren lernen sie, dass sie aktiv an sozialen Schülerforen teilnehmen können, aber vor allem mit und in diesen Foren lernen können bzw. anderen beim Lernen zu helfen.
Rückblick:
Eigentlich ist das Arbeitsblatt in ca. 90 Minuten sehr gut zu bearbeiten. Aufgrund der erweiterten Aufgabenstellung dauerte das gesamte Vorhaben etwas mehr als zwei Doppelstunden. Dies merkten einige Schüler kritisch an. Sie sagten aber auch, dass sie viel „drumherum“ (gemeint: Kompetenzbereiche der KMK – s.u.) gelernt haben.
Das Vorhaben an sich wurde von den Schülern positiv bewertet. Sie kannten diese Foren, haben sich aber bislang nicht so intensiv und kritisch damit auseinandergesetzt. Ganz im Gegenteil! Bislang wurden die Lösungen von einigen sehr unkritisch ins Heft übernommen. Die Tatsache, dass die Antworten der Schüler in diesen Foren veröffentlicht wurden, hat dazu geführt, dass sie sich intensiver mit der Thematik beschäftigt haben. Laut eigener Aussage haben sie genauer auf Formulierung, Fachsprache und inhaltliche Aspekte geachtet.
Mir persönlich ist aufgefallen, dass die Schüler viel häufiger als sonst Fragen stellten bzw. Feedback zu ihren erstellten Texten verlangten. Dies ist sicherlich der Veröffentlichung geschuldet.
Diese Aufgabe trug zur Kompetenzentwicklung im Sinne des Strategiepapiers der KMK „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016 bei. Besonders die Kompetenzbereiche „Suchen & Verarbeiten“, „Kommunizieren & Kooperieren“ sowie „Schützen und sicher agieren“ wurden angerissen.
Am Samstag durfte ich auf der edunautika eine kurze Session zum Thema „Schulentwicklung/ Führung agil gedacht anbieten. Ausgehend von vier Szenarien wurden (methodische) Lösungsansätze erläutert und anschließend diskutiert. Spannend fand ich die Mischung der Teilnehmer. So waren Lehrer, Schulleiter aber auch Projektleiter aus der Wirtschaft und Mitarbeiter eines Startups dabei.
Nachfolgend sind die verwendeten Flipcharts aufgeführt. Wenn Zeit, werde ich die Inhalte noch ausführlicher verbloggen. Die Dokumentation der edunautika findet sich hier
Agile Methoden sind eigentlich nicht ohne Werte und Prinzipien zu erklären. Darauf habe ich aufgrund der begrenzten Zeit verzichtet. Daher hier noch mal das Agile Manifesto zum Nachlesen. Auch darüber werde ich noch ausführlicher schreiben.
Zugegebenermaßen erschien der Tweet von Axel Krommer nach meiner Durchführung der Lernerfolgskontrollen (LEK), spiegelt aber den Kern dieses Vorhabens wider. Mein Unterricht ist u.a. auf Kommunikation und Kooperation ausgelegt – #4k – sodass die Idee entstand, die LEK kollaborativ durchzuführen und somit die Kommunikation unter den Schülern eben nicht zu unterbinden. Es sollte bewusst das Vorgehen aus dem Unterricht auf eine Prüfungssituation übertragen werden.
Ein weiterer Grund für die Durchführung dieses Vorhabens sind meine Out-of-the-box-Erfahrungen. Im letzten Schuljahr habe ich einen Blick über den Tellerrand gewagt. Ich war zusammen mit einer Kollegin in der Villa Wewersbusch und habe unter anderem auch Firmen in Hamburg besucht, um einen aktuellen Einblick in die Arbeitswelt zu bekommen und daraus Anforderungen an eine zeitgemäße Bildung ableiten zu können**. Bei der Firma Mindmatters bin ich auf die Paarprogrammierung gestoßen, die mit dieser Methode an Codes schreiben und arbeiten. Die Programmierer sitzen zu zweit an einem Code (Aufgabe) und erstellen diesen kollaborativ. Der Vorteil dieser Methode ist, dass Fehler im Code früher erkannt werden, zeitfressende Codereviews vermieden werden und der Code früher fertig ist. (Weitere Vor- und Nachteile, von denen sich viele auf die kollaborative Bearbeitung von LEK in der Schule übertragen lassen, sind hier zu finden) Am Ende muss bei der Paarprogrammierung ein Produkt (z.B. eine App) stehen. In diesem Entstehungs- und Entwicklungsprozess kommt es darauf an, zu kommunizieren, kritisch zu sein und kollaborativ kreative Lösungen für Probleme zu finden. Die von mir gemachten Erfahrungen beim Besuch verschiedener Firmen teile ich gerne mit meinen Schülern, zeigen ihnen auf, was sie „draußen“ erwartet.
Im folgenden soll kurz die Methodik der bisher kollaborativ durchgeführten LEK wiedergegeben und (die teils subjektiven) Ergebnisse geschildert werden.
Fazit von meiner Seite:
In der Doppelstunde vor der LEK gab ich den Schülerpaaren folgende Aufgabe: Sie sollten auf farbige Karten („Ampelprinzip“) alles aufschreiben, was sie über das aktuelle Thema wissen, vertiefen möchten oder noch nicht sicher verstanden haben (Think).
Die Karten wurden paarweise besprochen und diskutiert (Pair), wobei Lücken geschlossen und Probleme gelöst wurden. Anschließend wurden die Gruppen erweitert (jeweils drei Schülerpaare) und die Schüler konnten Fragen der anderen einsehen, vertiefende Fragen stellen und evtl. übrig gebliebene rote Karten aufarbeiten (Share). Im weiteren Verlauf erhielten die Schüler Vertiefungsaufgaben, die sie zusammen mit dem Partner in Vorbereitung auf die kollaborative LEK bearbeiten konnten. In allen Phasen stand es den Schülern zusätzlich frei, das „Klassennetzwerk“ zu nutzen und auch andere Schüler zu befragen oder aber aus Sicht derer, die sich gut vorbereitet fühlten, als Experten in andere Gruppen zu gehen.
Es gab zwei Grafiken zum Thema Neurobiologie, auf denen die Wirkung zweier Gifte dargestellt wurden. Die Schüler mussten nun die Grafik hinsichtlich der Giftwirkung interpretieren, mögliche Konsequenzen für den Organismus ableiten und Ansatzpunkte für ein Gegengift begründet bestimmen.
Das Notenbild war deutlich besser (ausschließlich im Bereich von 10-15 Notenpunkte).
Die guten Noten freuen mich für die Schüler. Was mich aber an dieser Stelle mehr interessiert ist, wie die Schüler die Vorbereitung und die veränderte Prüfungssituation wahrgenommen haben. Nach der LEK habe ich eine Evaluation mit der Feedbackapp Edkimo durchgeführt (n=22).
Frage 1: Ich empfand die Vorbereitung auf die LEK hilfreich?
Frage 2: Mein Wissen mit jemandem zu teilen und gemeinsam an einem Produkt zu arbeiten, fällt mir leicht.
Frage 3: Ich hatte das Gefühl, dass
Frage 4: Welche Aussage trifft zu? (Wir haben uns gegenseitig ergänzt, korrigiert und gemeinsam an der Lösung gearbeitet./ Die Lösung wurde größtenteils von mir erarbeitet.)
Frage 5: Wir haben fachliche Aspekte diskutiert und uns auf einen Lösungsweg geeinigt.
Frage 6: Ich konnte mit Kritik/ Einwänden an meinen Lösungsvorschlägen umgehen.
Frage 7: Mein Partner konnte nicht mit meiner Kritik/ meinen Einwänden an seinen Lösungswegen umgehen.
Frage 8: Ich bin der Meinung, dass meine Note aufgrund der Kollaboration im Vergleich zu einem Individualtest besser ist.
Frage 9: Ich würde Lernerfolgskontrollen lieber wieder alleine schreiben.
Frage 10: Wer (Name des Schülers) hat sich im Vorfeld der LEK besonders für ein gemeinsames Ziel engagiert?
Grundsätzlich wurde die Vorbereitung auf die LEK mit dem Fokus auf Kollaboration als sinnvoll erachtet (Frage 1). In diesem Kontext veränderte sich auch die Haltung der Schüler im Bezug auf die Kooperation (Frage 2). Gefühlt war diese Tendenz im Vergleich zur ersten LEK nicht so positiv. 14 Schüler gaben an, sich auf Augenhöhe mit dem Partnern gesehen zu haben. Ein möglicher Grund war sicherlich die Übungsphase. Eine Schülerin entgegnete, dass sie sich mitverantwortlich für ihren Partner fühlte und aus diesem Grund mehr gelernt habe (Frage 3). Frage 4 zeigt, dass die Schüler kollaborierten. Lediglich zwei Schüler gaben an, dass die Lösung größtenteils von ihnen selbst erarbeitet wurde (sicherlich bedingt durch fachliche Defizite des Partners). Hier sieht man deutlich eine Schwäche dieser LEK, da die Individualleistung nicht feststellbar ist. Frage 5, 6 und 7 zielten darauf ab, mögliche Spannungen in der Zusammenarbeit festzustellen. Grundsätzlich ist dieses Ergebnis positiv, zeigt aber auch, dass Kritik/ Einwände und das Einigen auf einen Lösungsweg nicht zu 100% gelingen. Schüler entgegneten im Anschluss auch, dass man den Umgang damit lernen müsse. Kritik und Einwände müssen als Ressource gesehen werden und sollten nicht auf die persönliche Ebene gelangen. Das fällt Schülern (noch) schwer. Frage 8 lässt erkennen, dass die Schüler aufgrund der Kollaboration eine bessere Note erwarteten.
Der Vorteil einer Zusammenarbeit im Sinne von „gemeinsam denken“ und an einer „Sache arbeiten“ dürfte den meisten Schülern klar geworden sein. Dass vier Schüler die LEK lieber wieder alleine schreiben würden, verwunderte mich (Frage 9). Die Gründe dafür können mannigfaltig sein (Introvertiertheit, Unzufriedenheit mit dem Partner, Schwächen bei der Kollaboration, fachliche Defizite, etc.).
In der letzten Frage bat ich die Schüler, diejenigen zu nennen, die sich im Vorfeld (Übungsphase) besonders für ihren Partner oder die Klasse eingesetzt haben (im Sinne der Wertschätzung). Es wurde vereinzelt der Teampartner genannt, aber auch ein Schüler, der sich im Klassennetzwerk in Vorbereitung auf die LEK besonders engagiert hatte.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Ergebnisse der Evaluation den Schülern nach der Durchführung gezeigt und diskutiert wurden. Aussagen von einigen Schülern finden sich schon in der Diskussion wieder, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden soll.
Die Schüler empfanden die Art und Weise der LEK gut und sinnvoll und es wird weitere in diesem Format geben. Im Sinne der Partizipation und Mitgestaltung haben die Schüler folgende Anmerkungen zur weiteren Gestaltung gemacht, die ich zukünftig gerne einbeziehe:
Nachtrag:
Manfred Schulz, Fachreferent Medien in der BSB Hamburg, merkte an:
„Kollaborative Tests sind nur dann sinnvoll, wenn damit Rückmeldungen zum Stand der kollaborativen Kompetenzen gemacht werden können.
Die „Kollaborateure“ müssen also mit diesem Test erfahren können, inwieweit ihre kollaborativen Kompetenzen entwickelt sind und woran sie hier noch „arbeiten“ müssen.“
Grundsätzlich teile ich seine Meinung. Ein kollaborativer Test sollte auch Rückmeldung über selbige Kompetenzentwicklung ermöglichen. Ich möchte aber auch die Frage nach dem Vorgehen stellen. In dem geschilderten Setting habe ich nicht die Möglichkeit, jedem Gespräch beizuwohnen. Somit entfällt die Rückmeldung und Bewertung meinerseits. Sehe ich das in einer gewissen Bedingung für die LEK, dann darf diese – wenn ich das Setting nicht ändere – nicht mehr stattfinden und ich gehe wieder über zum Individualtest.
Ich finde die Frage durchaus spannend und würde mich über eine lebhafte Diskussion freuen.
Abschließen möchte ich mit dem Satz:
Schülerinnen und Schüler sind außerdem positiver gegenüber Schule, Schulfächern, Lehrenden und ihren Mitlesenden eingestellt, wenn sie kooperativ lernen (Faden, Bialik, Trilling 2015, S.140).
Meiner Einschätzung nach sind die Schüler die Vorbereitung als auch die eigentliche LEK mit einer positiveren Grundeinstellung angegangen als dass bei einer normalen LEK der Fall ist. Auch die Tatsache, dass wir im Kurs eine weitere LEK in dieser Form andenken, spricht für diese positive Einstellung.
* Kompetenznachweis wäre aus meiner Sicht der bessere Begriff. Aufgrund der weiteren Verbreitung der Begriffe Lernerfolgskontrolle/ Tests habe ich mich dafür entschieden.
**Im Sinne einer zeitgemäßen Bildung halte ich es auch für wichtig, Firmen zu besuchen, um einen Einblick in die Arbeitswelt und Arbeitsweisen zu bekommen. Dazu werde ich mich in einem späteren Blog ausführlich äußern.
Literaturhinweis: Fadel, Charles/ Bialik, Maya/ Trilling, Bernie (2015): Die vier Dimensionen der Bildung: Gesamtherstellung 2017, Verlag ZLL21 e.V., Hamburg.
Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen mit einem am Ende des letzten Halbjahres durchgeführten Projekts beschreiben.
1. Genese:
Im letzten Schuljahr habe ich hier und da einen Blick über den Tellerrand gewagt. Ich war zusammen mit einer Kollegin in der Villa Wewersbusch und habe unter anderem auch die Firma Mindmatters in Hamburg besucht, um einen aktuellen Einblick in die Arbeitswelt zu bekommen. Besonders hat mich der agile Ansatz interessiert. Im Anschluss an den Besuch habe ich begonnen, mich in die Themen „Agiles Arbeiten“ und „Agile Methoden“ einzulesen und überlegt, ob und wie man diese Konzepte und die dazugehörigen Methoden auf die Schule übertragen kann. Im Zuge meiner Recherchen bin ich auch auf das Buch von Christof Arn „Agile Hochschuldidaktik“ gestoßen, das ich sehr empfehlen kann. Philippe Wampfler hat schon 2016 eine Rezension zu diesem Buch geschrieben. Die Idee der „Agilität“, einer veränderten Haltung und vor allem der veränderte Fokus auf den Unterricht haben mich angesprochen, sodass ich mich entschlossen habe, dieses Projekt experimentell wie unten beschrieben, durchzuführen.
2. Projektstart & Themenfindung
Im April letzten Jahres erhielt ich folgende Nachricht eines Schülers über unser LMS:
Ein Thema der 7. Klasse ist die Ökologie, sodass ich diese Nachricht als Ausgangspunkt für das Projekt nehmen konnte. Zu Beginn habe ich mich mit den Schülern zusammengesetzt und das Projektvorhaben erläutert, (Grob-)Ziele besprochen und bin in das Thema mit der Nachricht des Schülers eingestiegen. Die Schüler stellten Fragen, die sehr vielfältig waren und die unterschiedlichsten Bereiche anrissen. Wir sprachen auch über Ökologie auf unserem Schulgelände, den angrenzenden Park, die Elbe, die Elbvertiefung, die Nordsee, Haie, Australien, Aga-Kröte als Invasor, Waschbären usw.. Sollten die Schüler aus dem Gespräch heraus ein Thema finden, das sie besonders interessiert, durften sie die Gruppe kommentarlos verlassen und eigene Recherchen am PC beginnen. Sollte das Thema weiterhin für sie ansprechend sein, war die Aufgabe, eine Leit-/ Problemfrage zu entwickeln, ein Lernprodukt grob zu skizzieren und das Projekt zu starten. Der Schüler der obigen Nachricht hatte schnell sein Thema gefunden, schloss sich mit zwei Freunden zusammen und begann zu arbeiten. Andere Schüler blieben länger sitzen und hörten zu. Andere verließen das Gespräch und kamen wieder, weil sich ihr Interesse im Zuge der Recherche nicht hielt. Es dauerte die gesamte Doppelstunde bis jeder versorgt war und die Schüler erste Infos recherchierten und an den Leitfragen arbeiteten.
3. Projektarbeit, agile Methode & Experteninterview
In der zweiten Doppelstunde habe ich zunächst eine Einführung in die Projektarbeit gegeben. Wer mehr über Projektdidaktik wissen möchte, findet bei Lisa Rosa weitere Informationen. Des Weiteren habe ich zwei agile Methoden eingeführt. Zum einen das Kanban Board (die Schüler haben sich zu diesem Zweck für das zumpad & padlet als kollaboratives Tool entschieden) und zum anderen ein wöchentliches Standup, das ich in Umfang und Intention verändert habe.
Das Kanban Board hatte die Funktion, die Schüler bei der Planung zu unterstützen, in dem sie ihre Aufgaben und Ideen dort eintragen, systematisieren, ordnen und visualisieren. Es dient zudem als Vorbereitung auf das wöchentlich stattfindende Standup. Die Schüler veränderten das vorgefertigte Kanban (ursprünglich Todo,Doing,Done) im padlet entsprechend ihren Bedürfnissen.
Als Lernbegleiter habe ich mit der Kanban Methode jederzeit die Möglichkeit (dabei ging es mir auch um die Zeit außerhalb des Unterrichts), einen Blick auf den aktuellen Stand zu werfen. Christof Arn schreibt in seinem Buch, dass agile Didaktik aus echter Interaktion besteht (S.19). Auch padlet und zumpad nach der Kanban Methode sind in diesem Sinne Interaktionen, mit denen ich feststellen kann, wo die Schüler stehen, ob der eingeschlagene Weg sinnvoll ist und wo es eventuell Probleme gibt, sodass ich im persönlichen Gespräch darauf eingehen kann. Nebenbei empfinden die Schüler es als sehr wertschätzend, wenn der Lehrer zu Beginn einer Stunde im Gespräch mitteilt, dass er sich zu Hause mit ihrem Thema beschäftigt hat.
Das Standup anhand des Kanban Boards zu Beginn einer Stunde hatte die Intention, die gesamte Klasse über den Stand verschiedener Projekte zu informieren und reflexiv zu betrachten.
Dabei lag der Fokus nicht auf inhaltlichen Aspekten. Intention war es, die eigene Arbeit zu beschreiben und mit Unterstützung der Klasse zu reflektieren. Es ging um Zieldefinitionen für die nächste Woche und auch darum, kritisch zu überlegen, warum Ziele in der letzten Woche nicht erreicht wurden, welche Probleme entstanden sind und wie mögliche Lösungsansätze gestaltet sein können. Oftmals standen Gespräche über Methoden im Vordergrund (s.u.). Die Schüler haben sich relativ schnell an das Standup gewöhnt und empfanden es als hilfreich. Während ich zu Beginn noch lenkend teilgenommen habe, habe ich mich im weiteren Verlauf mehr und mehr zurückgezogen. Auch wenn die Schüler es nicht so empfanden, denke ich jedoch, dass meine Anwesenheit eine gewisse Kontrollfunktion für die Schüler darstellte. Das galt es zu vermeiden!
Zu guter Letzt haben die Schüler noch einen Arbeitsauftrag erhalten, der die verschiedensten Kompetenzbereiche der KMK Strategie Bildung in der digitalen Welt anriß. Das Projekt sollte einen konnektivistischen Charakter haben, sodass eine Vorgabe von mir ein kurzes Experteninterview zum jeweiligen Thema darstellte. Allerdings mussten die Experten mit digitalen Medien kontaktiert werden, woraus sich verschiedene Aufgaben für die Schüler ergaben:
Die Schüler gingen ganz unterschiedlich an die Aufgabe heran:
Insgesamt trug diese Aufgabe zur Kompetenzentwicklung im Sinne der KMK Kompetenzen bei. Viele Schüler hatten bislang noch kein Experteninterview auf diese Weise durchgeführt. Schon die Recherche (Womit? & Wie?) nach Experten und die kritische Betrachtung (Ist das ein Experte oder nicht?) war spannend zu verfolgen. Auch der Umgang mit Ablehnung und den leeren zumpads sowie die Einordnung dessen war ein sehr lehrreicher Prozess. Auf der anderen Seite gaben die Schüler auch nicht auf, nutzen meistens auch einen zweiten Kanal und hatten sichtlich Spaß an der Kontaktaufnahme mit (fremden) Experten und der Kollaboration.
4. Was ist nun das agile (bewegliche) an diesem Projekt?
Wir kennen alle die Unterrichtsvorbereitung nach Plan. Zum Zeitpunkt X wird Y gemacht um Z zu erreichen. Die agile Didaktik sieht an dieser Stelle nicht die Unterrichtsplanung und -vorbereitung als zentral an, sondern die Entscheidungen im Moment des Unterrichts (S.22).
Es ist dann etwas zu tun, wenn durch die Interaktion mit Schülern Lernprozesse sichtbar werden und diese verschiedene didaktische Entscheidungen erfordern.Arn sagt dazu: „Wer sich auf echte Kommunikation einlässt, wird beweglich reagieren müssen und wollen.“ (S.19).
Agilität bei der Themenfindung
Das Projekt war von Beginn an sehr offen angelegt und wurde durch die Interaktion mit den Schülern (durch UNSERE Fragen- denn auch ich hatte Fragen und verstand mich besonders in Bezug auf die Elbvertiefung als (Mit-)Lernender) gelenkt. Besonders die Themenfindung zu Beginn bereitete mir zunächst Kopfzerbrechen, da nicht absehbar war, wo die Fragen der Schüler hingehen werden. Ein breites Fachwissen ist dafür unerlässlich. Für mich ging es im Vorfeld nicht darum, die richtigen Impulse zur richtigen Zeit zu setzen, um damit das Gespräch in die von mir festgelegte Richtungen zu lenken, sondern darum, in dieser Phase die richtigen Informationen bereit zu haben, sodass das anfängliche Interesse bestehen bleibt.
Agilität während des Projekts
Die Gruppe der Elbvertiefung durchlief während des Projekts einige Wendungen, sodass ich an diesem Beispiel das Prinzip der agilen Didaktik erläutern möchte. Zunächst entschied sich die Gruppe dafür als Lernprodukt eine Power Point zu erstellen. Im Laufe der Recherchen ergaben sich mehrere Teilaspekte, für die sich die Schüler interessierten:
In den Gesprächen mit der Gruppe stellte sich heraus, dass die Schüler drei Probleme hatten und Lern- und Arbeitsprozesse stockten.
Ein weiteres Beispiel für eine didaktische Entscheidung, die sich aus dem Moment heraus ergab, betraf die gesamte Klasse. Um die Bedeutung und Folgen von Bioinvasoren oder Wegfall eines Räubers an der Spitze der Nahrungskette verstehen zu können, ist ein ökologisches Grundverständnis notwendig. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die eingangs von mir erläuterten ökologischen Aspekte verinnerlicht und vertieft wurden, sodass ich für die gesamte Klasse einen kurze Plenumsphase einbaute und eine vertiefende Übung an die Schüler gab, um die weitere Arbeit zu erleichtern.
Lernprodukte:
Die einzelnen Gruppen entwickelten im Verlauf des Projekts unterschiedliche Lernprodukte. Angefangen von einer ppt, über ein Modell, ein Lernvideo oder ein Podcast uvm.. Als notwendig und mühsam gestaltete sich die Erarbeitung von Kriterien zu Bewertung dieser Produkte. Zusammen mit den Schüler entwickelte ich in jeder Gruppe, angepasst an das Lernprodukt, Kriterien zur Bewertung im Laufe des Projekts.
Fazit:
Grundsätzlich wurde das Projekt von den Schülern und mir als positiv bewertet. Wir haben gemeinsam tolle Erfahrungen gemacht und viel gelernt (auch ich von den Schülern). Auch die agilen Methoden empfanden alle hilfreich. Besonders die Standups, also das Strukturieren, Visualisieren und Diskutieren von Aufgaben und Zielen war sehr hilfreich und ergaben oftmals eine gehaltvolle Diskussion. Besonders positiv ist mir bei den Standups aufgefallen, dass Schüler gezielt (methodische) Fragen stellten (Wo hast du die Informationen her? Wie habt ihr die Experten kontaktiert?), um daraus Konsequenzen für die eigene Arbeit zu ziehen und sich Ideen zu holen. Die Fragen zeigten aber auch, wo die Schüler Bedarf hatten und wo ich (evtl.) nachfragen musste.
Aus Lehrersicht ergaben sich folgende Probleme/ Hindernisse:
Ich freue mich auf konstruktive Kritik und Tipps zu weiteren Gestaltung von Projektarbeit.
*Im Sinne einer zeitgemäßen Bildung halte ich es auch für wichtig, Firmen zu besuchen, um einen Einblick in die Arbeitswelt und Arbeitsweisen zu bekommen. Dazu in einem späteren Blog mehr.
Dieser Blog wird mein WORKING OUT LOUD
Ich muss das ankündigen, sonst ziehe ich es nämlich nicht durch!
🙂